Vielseits beworben ging gestern, am 6.5.2011, die Eröffnung des diesjährigen Designmonats von der Bühne. Die offizielle Eröffnung war jedoch tragisch unspektakulär im Vergleich zur persönlichen Eröffnung, die Kathi und ich miterleben durften. Es fing ganz harmlos an: eine Ringvorlesung, organisiert von Karl Stocker und Josef Gründler, Studiengangsleiter der FH Joanneum, sollte uns in das Thema „Designing Cities, Designing Regions, Designing the World” einführen. Eine rührende Eröffnung von ebendiesen, bei der wir einige interessante Details erfahren durften (wie Zusammenarbeiten zwischen Herrn Stocker und den Vortragenden), machte uns neugierig auf den Inhalt der Vorträge. Eine obligatorische Kurzrede von Eberhart Schrempf (Geschäftsführer der Creative Industries Styria) später, begab sich der erste Sprecher, Jarmo Eskelinen aus Finnland, auf die Bühne.
Sein Vortrag war an sich interessant, leider war es relativ schwer ihn zu verstehen: der typisch finnische Akzent machte es nicht leicht ihm zu folgen.
Ein Ausspruch blieb uns jedoch im Gedächtnis: „Three or four years earlier, all Finnish people lived in the woods: then came Nokia.“
Eine kurze Erklärung zu Eskelinen: er ist Teil des Forum Virium (Link: http://www.forumvirium.fi/en), einem finnischen Kollektiv das sich dazu entschieden hat, Projekte aus den Bereichen Media, Learning, Wellbeing [sic] und Smart City zu bearbeiten und arbeitet eng mit der University of Art and Design Helsinki zusammen. Eskelinen selbst schlug diesen Weg erst als dritte Laufbahn ein: zuvor war er Architekt und Eventmanager. Das Thema das ihm beim Vortrag jedoch am Meisten am Herzen lag, war nicht Forum Virium oder die finnische Designszene, sondern public data. Bei diesem Thema bekam der gedrungene Mann im Anzug einen feurigen Ausdruck in den Augen. Seiner Meinung nach sollten open data und open government approaches weiterverfolgt werden, dies sei der einzige Weg dem Volk ein wirkliches Mitspracherecht zu gewährleisten. Allerdings wären die Gegenmaßnahmen des Staates zwar subtil und fies: man möge sich nur Julian Assange anschauen … kein vermeintlicher Vergewaltiger würde so sehr gejagt.
Zum Abschluss lud er noch ein nächstes Jahr in Helsinki vorbeizuschauen, zum Helsinki Design Year. Mal schauen.
Der zweite Vortragende war Arhan Kayar, der Organisator der Istanbul Design Week (Link: http://www.istanbuldesignweek.com/). Seine Rede war, rein subjektiv beurteilt, mehr ein Werbevortrag für zukünftige Istanbul-Touristen. Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft seiner Heimat wurden in zahlreichen bunten Bildern gezeigt: keine Frage, eine schöne Stadt. Die wirklich spannenden Dinge über die Istanbul Design Week, wie dass Kayar keinerlei staatliche Förderungen dafür bekommt und das ganze Event rein durch Kooperationen und seine eigene harte Arbeit finanziert wird, wurden im Vorfeld von Karl Stocker und im Nachfeld von Jochen Sandig (Berlin, Radialsystem) erläutert. „A real self-made man!“, wie Stocker meinte. Das nenne ich ein durchaus beeindruckendes Unterfangen und wir hätten gerne mehr darüber erfahren, wie man so etwas am besten angeht.
Der letzte Gast (#4, Bernd Fesel, fiel bedauerlicherweise aus) kam aus Berlin. Joc
hen Sandig ist eine sehr beeindruckende Persönlichkeit, der sich ohne falsche Bescheidenheit und dennoch mit einer erfrischenden down-to-earth-Einstellung präsentierte. Er gründete 1990 das Berliner Kunsthaus Tacheles (Link: http://super.tacheles.de/cms/) und war lange Jahre für das dortige künstlerische Programm zuständig. Nach verschiedensten Tätigkeiten (Gründung eines Tanzensembles mit Sasha Waltz; Gründung der Sophiensaele, einer Produktionsstätte für Theater und Tanz; Arbeit an der Schaubühne am Lehniner Platz etc.) gründete er gemeinsam mit Folkert Uhde schließlich Radialsystem V (Link: http://www.radialsystem.de/rebrush/index.php). Radialsystem ist ein Ort der dazu dient, Künstlern und Kunstbegeisterten einen Raum zu bieten, in dem sie sich entfalten können. Sandig betonte das dialogische Prinzip hinter Radialsystem: Kunst und Wirtschaft sollten nicht konkurrieren, sondern sich im Dialog zusammenschließen. Nach diesem Prinzip funktioniert auch sein „new space for the arts in Berlin“: jede Idee, jede Kunstform ist gleichwertig und herzlich willkommen, und um diese zu finanzieren wird sein Gebäude für verschiedenste Veranstaltungen auch vermietet. Einige großartige Ideen wurden ebenfalls vorgestellt, wie die Piano City (Link: http://www.pianocity-berlin.com/): ein Projekt das sich dem Umstand zunutze macht, dass es unzählige talentierte Klavierspieler gibt, die es jedoch niemals in eine Konzerthalle schaffen werden. Sandig schuf ein virtuelles Auditorium, auf dem Klavierspieler allerorts ihre Künste der Welt zeigen können. Kunst, für alle zugänglich. In der anschließenden Diskussionsrunde erfuhren wir, dass Sandig seine Angestellten zwar bezahlt, selbst aber kein Geld einbehält: er finanziert sein Leben ausschließlich durch seinen Zweitjob bei seiner Frau Sasha Waltz. Respekt, Herr Sandig! Sie predigen Wasser und trinken es auch. Und das mit Genuss!
Fortsetzung folgt in Teil 2: Jagd auf das 5-Meter-Huhn, ein Lynchmob; die Präsentation des Hühnerbuches des Studiengangs Informationsdesign; die offizielle Eröffnung des Designmonats.